19.6 RemoteApp-Programme
Im vielen Fällen werden Sie nicht den kompletten Desktop mittels Remotedesktopdiensten bereitstellen können, sollen oder wollen. Das wird immer dann der Fall sein, wenn Sie nicht alle Anwendungen, die von einem Benutzer benötigt werden, auf dem Remotedesktop-Sitzungshost bereitstellen können, sondern einen »Mischbetrieb« zwischen lokalen und per Remotedesktopdiensten bereitgestellten Anwendungen fahren müssen.
Da es in der Regel keinen Sinn ergibt, Anwendungen, die nur von einer Handvoll Mitarbeiter gebraucht werden, auf den Remotedesktop-Sitzungshost zu bringen, wird es jede Menge PCs geben, die die »großen Mainstream-Anwendungen« über Remotedesktopdienste erhalten und lokal einige speziellere Anwendungen ausführen. Weiter oben haben Sie gehört, dass es Anwendungen gibt, die technisch nicht auf den Remotedesktop-Sitzungshost gebracht werden können – es steht zu befürchten, dass es in jedem Unternehmen mehrere solcher Programme gibt.
Vor den Remotedesktopdiensten/Terminaldiensten von Windows Server 2008 und der Version 6 des Remotedesktopverbindungs-Clients war die Aufgabe begrenzt lösbar, indem im Client eine zu startende Anwendung definiert wurde. Das Ergebnis ist in Abbildung 19.41 zu sehen: Word fährt beim Start direkt hoch, allerdings ist der Rahmen des Remotedesktopverbindungs-Clients immer zu sehen.
Abbildung 19.41 Bevor RemoteApp-Programme verfügbar wurden, konnte eine Applikation immer nur im Remotedesktopclient-Fenster gezeigt werden.
Citrix kann schon seit »Ewigkeiten« einzelne per Remotedesktop-Sitzungshost bereitgestellte Applikationen »seamless« anzeigen, also ohne ein zusätzliches Fenster des Clients. Mit der neuen Generation der Remotedesktop-Sitzungshosts (mindestens Windows Server 2008) und Clients (mindestens Remotedesktopclient Version 6) können die Microsoft Terminaldienste/Remotedesktopdienste dies nun auch leisten. Die Technologie nennt sich RemoteApp-Programme.
Um RemoteApp-Programme zu konfigurieren, rufen Sie im Server-Manager unterhalb der Sammlung den Menüpunkt RemoteApp-Programme veröffentlichen auf. Diese ist in Abbildung 19.42 gezeigt.
Abbildung 19.42 Mit dem gleichnamigen Konfigurationswerkzeug können Sie RemoteApp-Programme anlegen und verwalten.
Früher gab es auf dem Remotedesktop-Sitzungshost eine Konfigurationsapplikation namens RemoteApp-Manager , diese ist aber zugunsten der Server-Manager-Integration entfallen.
Beim Anlegen von RemoteApp-Programmen werden Sie von einem Assistenten begleitet. Im Grunde genommen besteht dieser nur aus einer Seite, auf der Sie auswählen können, welche Applikationen Sie zu der Menge der auf dem Remotedesktop-Sitzungshost verfügbaren RemoteApp-Programme hinzufügen möchten. Wenn Sie den Assistenten zum ersten Mal öffnen, sehen Sie bereits jede Menge Applikationen, die dort aufgelistet werden. Sie können beliebig viele davon mit einem Häkchen versehen, worauf diese dann in der eigentlichen RemoteApp-Programme-Liste auftauchen (Abbildung 19.43).
Wenn Sie Applikationen hinzufügen möchten, die in der Auswahl noch nicht vorhanden sind, können Sie mithilfe der Schaltfläche Durchsuchen das Dateisystem durchforsten und weitere Anwendungen hinzufügen.
Abbildung 19.43 Auswahl der Applikation, die als RemoteApp-Programm veröffentlicht werden soll
Abbildung 19.44 Ist die RemoteApp angelegt, kann man die Eigenschaften aufrufen.
Für die RemoteApp-Programme existieren einige Eigenschaften, die Sie bearbeiten können (Abbildung 19.45): Neben einer frei wählbaren Bezeichnung und einem Speicherort ist vor allem die Checkbox RemoteApp-Programm in Web Access für Remotedesktopdienste anzeigen interessant. Mit dem Web Access, der etwas später in diesem Kapitel besprochen wird, können die verfügbaren RemoteApp-Programme aufgelistet und per Mausklick gestartet werden.
Weiterhin können Sie im Eigenschaften-Dialog einen Kommandozeilenparameter festlegen und ein Icon auswählen.
Abbildung 19.45 Die »Eigenschaften« des RemoteApp-Programms
Seit der R2-Version des Windows Server 2008 können Sie auf der Registerkarte Benutzerzuweisung festlegen, welchen Benutzern das Symbol zum Starten des Programms angezeigt werden soll (Abbildung 19.46).
Abbildung 19.46 In den Eigenschaften der RemoteApp können Benutzerberechtigungen angegeben werden.
Abbildung 19.47 Interessant ist die Möglichkeit, die Dateitypzuordnungen zu modifizieren.
Hinweis
In den Remotedesktopdiensten 2008 und 2008 R2 kam nun der Punkt, an dem man sich Gedanken über die Verteilung machte und ein MSI-Paket oder eine RDP-Datei erstellen ließ. Diese Optionen gibt es unter Server 2012/R2 nicht mehr.
Die einfachste Möglichkeit, eine RemoteApp aufzurufen, ist die Nutzung der Weboberfläche. Abbildung 19.48 zeigt, wie’s gemacht wird:
- Geben Sie den Namen des Servers gefolgt von /RDWeb an.
- Es erscheint das Portal, aus dem man die App starten kann.
Abbildung 19.48 RemoteApp über die Weboberfläche aufrufen
Mit Windows 8-Clients (und höher) haben Sie die Möglichkeit, eine Standardverbindungs-URL einzugeben, aus der dann die möglichen Apps geladen bzw. verbunden werden. Dies geht allerdings nur via Gruppenrichtlinie. Der in Abbildung 19.49 gezeigte Konfigurationsabschnitt findet sich im Gruppenrichtlinieneditor in dieser Struktur: User Configuration/Administrative Templates/Windows Components/Remote Desktop Services/RemoteApp and Desktop Connections .
Ist die Standardverbindung konfiguriert, erscheinen die Apps in der Suche, wie in Abbildung 19.50 gezeigt (auf dem Windows-8.1-PC sind sowohl ein lokal installiertes als auch ein Remotedesktop-Word aufrufbar).
Abbildung 19.49 Per Gruppenrichtlinie kann die Standardverbindungs-URL angegeben werden.
Abbildung 19.50 Über die Standardverbindungs-URL kommt das »Work Resources«-Word.
RemoteApps
Sofern Sie Windows 7- oder 8-Clients verwenden, gibt es eine recht elegante neue Möglichkeit, um RemoteApps zu verteilen. Mehr dazu lesen Sie in Abschnitt 19.11.
Beim ersten Start der neuen Verbindung wird, falls nicht anders konfiguriert, ein Dialog erscheinen, in dem der Benutzer bestätigen kann, welche an seinem PC vorhandenen Geräte über den Remotedesktop-Sitzungshost nutzbar sein sollen. Der Remotedesktop-Sitzungshost kann dem Benutzer so beispielsweise die lokale C-Platte in die Remotedesktopdienste-Sitzung »einspiegeln«. Da die Freigabe auf Ressourcen immer sicherheitskritisch ist, fragt die Clientapplikation nach (Abbildung 19.51).
Abbildung 19.51 Beim ersten Start können Sie einige Einstellungen vornehmen.
Abbildung 19.52 zeigt nun das Ergebnis unserer Bemühungen. Word wird ohne den Rahmen des Remotedesktopverbindungs-Clients angezeigt. Da das Feature Desktopdarstellung installiert wurde, wird die Applikation auch mit Windows 7-Elementen angezeigt – sie ist also nicht von einem lokal laufenden Word zu unterscheiden.
Falls ein Client, auf dem die Verknüpfung zum RemoteApp-Programm installiert wird, nicht über die Version 6 des Remotedesktopverbindungs-Clients verfügt, wird die Applikation zwar gestartet und ausgeführt, allerdings wird der Rahmen des RDP-Clients gezeichnet werden.
Die RemoteApp-Programme sind ein sehr wichtiger Schritt nach vorn. In vielen Szenarien werden wichtige Mainstream-Applikationen (Office, SAP-GUI etc.) über Remotedesktopdienste bereitgestellt, und gleichzeitig verbleiben Dutzende oder Hunderte Anwendungen als lokale Programme auf den PCs. Für einen solchen Mischbetrieb ist die »seamless«-Darstellung (ohne Fensterrahmen des RDP-Clients) unglaublich wichtig und konnte bislang nur durch die Installation von Citrix’ MetaFrame/PresentationServer/XenApp erreicht werden.
Außerordentlich praktisch in Verbindung mit den RemoteApp-Programmen nebst den neuen Darstellungsmöglichkeiten ist der Web Access für Remotedesktopdienste, also der Webzugriff auf den Remotedesktop-Sitzungshost.
Abbildung 19.52 Die auf dem Remotedesktop-Sitzungshost laufende Applikation erscheint ohne den Rahmen des Remotedesktopverbindungs-Clients. Das Symbol zeigt an, dass das Word über Remotedesktop kommt.
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